„Gott sei Dank, wir haben doch keinen Smombie zuhause“ stellte nicht nur einer der 32 Zuhörer erleichtert fest, nachdem er sich den interessanten Vortrag von Frau Mack-Kast angehört hatte. Sie verstand es, den Zuhören die Angst zu nehmen, plötzlich einen Smombie zuhause zu haben, indem sie ihnen viele wertvolle Erkenntnisse und Tipps mit auf den Weg gab.
Hier die Zusammenfassung des Vortrags von Christina Mack-Kast Christina Mack-Kast, Dipl. Sozialpädagogin (FH), Paar und Familientherapeutin bei der EJV in Lindau:
Um zu verstehen, warum das Smartphone für die Kinder und Jugendlichen so wichtig ist, hier ein kleiner Ausflug in die Pubertät:
das Gehirn gleicht in der Pubertät, bedingt durch hormonelle Prozesse, einer Großbaustelle. Gefühle wirken stärker und schneller auf das Verhalten als Vernunft und gute Argumente.
Bisherige Beziehungen geraten aus den Fugen. Die Jugendlichen stoßen ihre Eltern vor den Kopf und gleichzeitig brauchen sie sie als sicheres Gegenüber.
Pubertät heißt vor allem ‚Emanzipation von den Eltern‘, Finden der eigenen Identität, was nur gelingt durch ein Maximum an Abgrenzung.
Gleichaltrige sind wichtiger, mit ihnen wird geredet, wird Freud und Leid geteilt. Zuhause verstummen die Kinder immer mehr, fühlen sich völlig unverstanden.
Die Neuen Medien vereinfachen diese neuen, vielen Kontakte im Außen. Jeder ist quasi 24 Stunden verfügbar. Man kann gleichzeitig am Leben vieler Menschen weltweit teilnehmen, erhält in Echtzeit alle aktuellen Informationen der Freunde und fühlt sich dadurch eingebunden in ein großes soziales Netzwerk. Es entsteht ein intensives Gefühl von Zugehörigkeit. Die Angst etwas zu verpassen ist groß. Das Internet stellt für die Kinder und Jugendlichen einen privaten Raum dar, den die Eltern nicht einfach so betreten können.
Jede virtuelle geführte Kontaktaufnahme mit Freunden/Bekannten/Unbekannten hat für die Jugendlichen die gleiche sozial-emotionale Bedeutung wie ein realer Kontakt. Daher ist es für sie normal, mit Freunden zusammen zu sein und gleichzeitig mit anderen zu chatten. Der virtuelle 3., 4. oder 5…. sitzt gefühlt mit im Raum.
Je analoger wir aufgewachsen sind, umso befremdlicher erscheint diese Vorstellung. (Digital Natives: Digital Immigrants)
Ein Leben ohne Smartphone und Co ist heute nicht mehr vorstellbar. (Und das nicht nur für die Jugendlichen!)
Kinder gehen viel sorgenfreier und spielerischer mit den Neuen Medien um, Sie eignen sich durch Ausprobieren die Technik und Handhabung schneller an. Und trotzdem brauchen sie die Unterstützung und Hilfe der Erwachsenen, um sich im Mediendschungel zurecht zu finden. Zu viele emotionale, finanzielle und rechtliche Fallen locken. (Persönlichkeits-, Urheberrechte, Recht am eigenen Bild, Datenschutz, etc.)
Für die Kinder scheint erlaubt, was alle machen.
Die Eltern sind gefordert, den Kindern beim Erwerb von Medienkompetenz, i.S. von aktiver Medienerziehung zur Seite zu stehen.
Medienkompetenz meint: die Fähigkeit, selbstbestimmt, kreativ und sozial verantwortlich mit Medien umzugehen und sie zur Gestaltung der eigenen Lebenswelt, zur Teilhabe an, sowie zur Mitgestaltung der (Informations-) Gesellschaft zu nutzen.
Dazu gehören:
Wissen (welche Medien gibt es, welchen Nutzen haben sie, technisches Know How)
Handeln (Medien kreativ, sinnvoll auszuwählen und einsetzen zur Aneignung von Information, Wissen, zur Unterhaltung, zur Identitätsbildung)
Reflexion (Fähigkeit, über eignes Nutzungsverhalten und über die Wirkung von Medien kritisch nachzudenken).
Smartphone und Co zu verteufeln hilft nicht weiter. Der technische Wandel sollte keine Katastrophe sein, den es zu bekämpfen gibt, sondern zum gestaltbaren Raum werden.
Auch das Gehirn passt sich den neuen Herausforderungen an. Kinder reagieren schneller, spontaner und flexibler. Sie sind geschickt darin, zahlreiche Infos visuell und kognitiv zu verarbeiten.
Was jedoch weniger gelingt ist, sich über einen längeren Zeitraum mit einer Sache zu beschäftigen, ein längeres Gespräch zu führen. Das Gehirn hält ununterbrochen Ausschau nach neuen Informationen. Es fehlt Zeit für Besinnung oder Reflexion.
Daher braucht es neue Regeln des Miteinanders, die für alle gelten sollten, ganz nach dem Motto: ‚Nur die Dosis macht etwas zum Gift‘. (Regelung der Medienzeiten, medienfreie Zeiten/Tage, Anwesende-vor-Nichtanwesenden-Regel,…)
Und man muss sich immer bewusst sein, dass man in seinem eigenen Nutzungsverhalten ein Vorbild ist. (Mut zur Langeweile! Lange Weile als eine der Keimzellen von Kreativität und Spüren)
Wichtig ist es, immer im Dialog zu bleiben, ihn aufzugreifen, statt abzubrechen. Und dafür ist es nie zu spät. Damit setzt man Beziehungsangebote, statt Distanz zu schaffen und das sollte nicht erst in der Pubertät beginnen. Ganz wichtig ist auch, schon im Kleinkindalter ein Urvertrauen zwischen Eltern und Kind aufzubauen.
Zeigen Sie Interesse für die Mediennutzung und lassen Sie vor allem die Jüngeren dabei nicht alleine. (Aussuchen geeigneter Apps, Sicherheitseinstellungen, Schutzfilter etc.)
Wenn man das Gefühl hat, ‚sein Kind ist süchtig‘ oder nutzt Smartphone und Co als Smombie, vielleicht muss man auch der Frage des ‚Warums ?‘ nachgehen. Vielleicht ist die exzessive Nutzung nur eine Baustelle in einem viel dichteren Komplex?
Nachdenklich sollten die Antworten der Kinder stimmen‚ warum für sie das Internet so wichtig ist:
Im Netz- da bin ich wer! Da gebe ich Befehle! Da ist wenigstens jemand! Da bekomme ich Aufmerksamkeit! Da kann ich alles kontrollieren und bestimmen! Da passiert wenigstens was, da ist es nicht so langweilig! Da vergesse ich meinen Ärger, kann abschalten! Da kann ich meinen Frust rauslassen/meine Wut abbauen!
Das Faszinierende am Chatten, v.a. Spielen ist, dass das Kind selbst über sein Tun entscheidet, es selbst kontrolliert. Die elterliche Außenkontrolle ist ausgesetzt. Die ‚virtuelle‘ Welt ist beherrschbarer, erfolgreicher als die reale Lebenswelt.
Es gibt keine monokausale Erklärung für das Entstehen von Gewalt, im Sinne ‚weil ich Ego-Shooter Spiele spiele, bin ich gewalttätig. Es mag wohl Kinder geben, bei denen es- ähnlich wie in der Sucht- zu einer Toleranzentwicklung kommt. Im Sinne von ‚ich brauche immer mehr, mit immer höherem Reiz‘. Und dass sich eine Gewaltgewöhnung einstellen kann, aber die Gründe dafür sind multifaktoriell (Persönlichkeit, Vorlieben, soziale Vernetzung, Umfeld, …) und nicht allein über das Internet erklärbar.
Sehr nachdenklich stimmt das zunehmende Cybermobbing. Mit Text, Video, Audiodateien und Bild wird beleidigt, verletzt, ausgegrenzt. Cybermobbing ist weder zeitlich noch räumlich begrenzt. Inhalte verbreiten sich extrem schnell, sind nicht kontrollierbar. Die Hemmschwelle des Täters ist niedrig, da er nicht mit der unmittelbaren Reaktion des Opfers konfrontiert ist. Man handelt aus dem vermeintlichen Schutz der Anonymität heraus. Aber auch hier gilt, das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Kinder sollten ermutigt werden, sich an die Eltern zu wenden, seien sie selbst betroffen oder bekommen dies mit. Genauso wichtig wäre dies bei Cybergrooming. Wenn Kinder gezielt von 3. angeschrieben werden, die sich meist jünger ausgeben, mit dem Ziel, sexuelle Kontakte anzubahnen. (Senden von Nacktaufnahmen, Vereinbarungen von Treffen,…)
Lassen Sie Ihr Kind im virtuellen Leben nicht allein- im Realen tun Sie es doch auch nicht!
Welche Spiele und Apps, etc. empfehlenswert sind, dazu können die folgenden Links hoffentlich weiterhelfen:
www.handysektor.de
www-de.scoyo.com/eltern/ratgeber/umfrage-test/mediennutzung-medienkompetenz/mediennutzung-medienkompetenz-test-kinder steht Ihnen ein Kompetenz-Test zur Verfügung
www.kindermedienland-bw.de
Bei www.klicksafe.de gibt es alle Informationen zum Thema Medien und Co, inklusive Klicksafe-Quizze zum Thema Smart Mobil?/ Facebook/ Computerspiele/ Datenschutz/ Medien und Sexualität
www.schau-hin.info
www.internet-abc.de
www.spielbar.de
Surfgarten-App und als Buchempfehlung: www.netzgemuese.com
Generell wird ein Smartphone erst für Kinder ab 12 Jahren empfohlen, je nachdem wie verantwortungsbewusst und reif Eltern ihr Kind empfinden. Die Kinder sollten sich an den Kosten – auch die des Vertrags beteiligen.
Wenn Eltern sich für den Kauf entscheiden, dann sollten sie ihrem Kind vertrauen können, anstatt das Handy ständig zu kontrollieren.
Gerne können Sie auch mit Frau Mack-Kast in Lindau oder mit Herrn Bayer und Kollegen in Lindenberg ein Einzelgespräch vereinbaren:
http://www.ejv-kjf.de/web/ejv.nsf/id/pa_ejv-lindau_li.html
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