Dieser Vortrag mit integrierten Diskussionsrunden ist einfach toll und wird hoffentlich noch in vielen Institutionen und Schulen gehalten: Ich, Doris Schneider (Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen…) und Sarah Kronenberg (Schülerhelferin) können ihn auf jeden Fall bestens weiterempfehlen
Bericht aus der Schwäbischen Zeitung vom 21.01.2017
Dem Terror keine Chance geben:
Terroranschläge haben nur ein Ziel: Angst und Schrecken zu verbreiten. Kann man sich dieser Angst überhaupt entziehen? Oder ist es normal, dass nach Ereignissen wie den Anschlägen in Ansbach und Berlin auch bei anderen Großveranstaltungen plötzlich ein mulmiges Gefühl aufkommt? Und wie sicher ist überhaupt Lindau? Diese und viele weitere Fragen stellten am Donnerstagabend knapp 30 Jugendliche und Erwachsene im Jugendzentrum Xtra. Jugendpsychologin Sylvia Rakos und Polizist Matthias Kaiser haben versucht, sie zu beantworten. Synergie, luv, die Friedensräume und die Junge Alternative Lindau hatten zu einem Diskussionsabend zum Thema Terror, Angst und Sicherheit geladen.
Dass das Thema auch unter Jugendlichen durchaus ein brisantes ist, zeigte allein schon die Anzahl derer, die gekommen waren. Das Xtra war voll. Und die allermeisten der Zuschauer waren noch im Teeniealter. Nach einer kurzen Einführung von Stadträtin Jasmin Sommerweiß (JA) war der Abend aufgeteilt in einen Vortrags- und einen Diskussionsteil.
Sylvia Rakos, Kinder- und Jugendpsychologin aus Scheidegg, erklärte in ihrem Vortrag, wie Angst überhaupt entsteht. Denn, so die Kinder- und Jugendpsychologin aus Scheidegg, dass es Angst gibt, ist durchaus sinnvoll. „Angst ist ein biochemischer Prozess, bei den Adrenalin ausgestoßen wird“, erklärte sie. In manchen Situationen mache das durchaus Sinn: „Angst ist ein Alarmsignal, sie bereitet uns auf schnelles Handeln vor.“ Wer Angst hat, kann sich aber auch bedroht, allein und überfordert fühlen. „Unrealistische Angst kann uns blockieren und sogar zu eine Angststörung führen“, sagte Rakos.
Dass die Angst, in Deutschland Opfer eines Terroranschlags zu werden, eine unrealistische ist, erklärte im Anschluss Polizist Matthias Kaiser. „Die Wahrscheinlichkeit, an einem Autounfall zu sterben, ist viel höher“, sagte er. Trotzdem habe sich die Polizeitaktik verändert. „Wir haben andere Schutzkleidung, andere Waffen“, sagte Kaiser. Außerdem lege die Polizei ihren Fokus auf die Einstellung neuer Polizisten.
Generationen reagieren ganz unterschiedlich
Interessant war, wie die unterschiedlichen Generationen in den anschließenden Diskussionsrunden auf die Themen Angst und Sicherheit reagierten. „Ich habe das Gefühl, dass ich meine Angst auf mein Kind übertrage, erzählte eine Frau in der Diskussionsrunde „Angst“. Sie habe das Gefühl, dass die Jugendlichen die Angst nicht an sich ran ließen. „Mich beeinflusst das, was passiert ist, schon“, sagte eine Jugendliche. „Mich nervt es, wenn ich mich, sobald ich auf einem Konzert jemanden mit einem Rucksack sehe, bei dem Gedanken an einen Anschlag erwische“, sagte eine andere.
Doch auch, wenn viele Jugendliche zugaben, Konzerte und Großveranstaltungen nicht mehr ganz unbekümmert genießen zu können – davon abhalten lässt sich durch die Angst vor einem Terroranschlag keiner.
„Man erkauft sich Sicherheit immer damit, dass man Freiheit aufgibt“, sagte ein Junge im Diskussionskreis „Sicherheit“ – und Kaiser machte direkt die Probe aufs Exempel. „Wem von euch ist die Freiheit wichtige als die Sicherheit?“, fragte er. Das Ergebnis war eindeutig: Allen, bis auf einem
Experten können nicht alle Fragen beantworten
Später ergänzte eine junge Frau: „Was würde es denn bringen, wenn wir uns, zum Beispiel beim Thema Datenschutz, noch mehr einzuschränken lassen? Den Täter von Berlin hatte die Polizei ja schon im Visier, gefasst hat sie ihn trotzdem nicht.“
Alle Fragen der Jugendlichen konnten die Experten am Donnerstagabend nicht beantworten. Darum ging es vielleicht aber auch gar nicht. Denn ein erster Schritt dahin, seine Ängste zu bewältigen ist, über sie zu sprechen.
Bericht aus der Schwäbischen Zeitung vom 21.01.2017